www.fabian-hofmann.de

Pädagogische Qualität in der Kunstvermittlung. Was ein Forschungsprojekt im Museum leisten kann

Zitationsvorschlag:  Hofmann, Fabian (Hrsg.) (2020). Pädagogische Qualität in der Kunstvermittlung. Was ein Forschungsprojekt im Museum leisten kann. Münster und New York: Waxmann.

Verlagsseite

Klappentext/Abstract
Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es über pädagogische Qualität in der Kunstvermittlung? Welche Qualitätsvorstellungen sind in der praktischen Vermittlung vertreten? Welcher theoretischen Bezüge bedient sich die Praxis? Und was lässt sich daraus für die Weiterentwicklung des Diskurses um die pädagogische Qualität schließen?

Diesen Fragen widmet sich das Buch; es beinhaltet videographische Analysen der Arbeit von verschiedenen Kunstvermittlerinnen, berichtet über den aktuellen Forschungsstand und zieht daraus Konsequenzen für die weitere Entwicklung. Die Autor*innen kristallisieren die Wichtigkeit des Diskurses um pädagogische Qualität in der Kunstvermittlung heraus und bieten auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse Möglichkeiten, den Diskurs aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Ohne Wissenschaft ist Praxis nicht möglich, ebenso profitiert die Theorie von gesammelten Praxiserfahrungen; daher haben sich die Autor*innen die Aufgabe gemacht, diese Abhängigkeit voneinander und Verbindung miteinander offenzulegen. Dafür bezieht der Sammelband alle relevanten Sichtweisen mit ein; so ergibt die Verknüpfung aus Praxisberichten von Kunstvermittelnden und wissenschaftlicher Betrachtungsweise, sowie die Perspektive der angehenden Theoretiker*innen und Praktiker*innen (Studierende der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf) ein schlüssiges Gesamtprojekt, das sowohl Praxis als auch Theorie verändern kann.



Einführung des Projektleiters


Ansatz und Motivation

„Der Qualitätsbegriff ist geradezu zu einem Zauberwort, zumindest aber zu einem Schlüsselbegriff in der Debatte über kulturelle Bildung in den letzten Jahren geworden.“
Fuchs 2014, o.P.

Die Frage nach der Qualität der Kunstvermittlung wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Sie ist wichtig und nicht leicht zu beantworten: Sehr unterschiedliche Qualitätsdiskurse bestehen nebeneinander (Rat für Kulturelle Bildung 2014, S. 100 ff.; Fuchs 2014; s. auch den Forschungsstand, S. 72 ff.), beispielsweise über Rahmenbedingungen oder Qualitätsmanagement. Häufig sind Fragen nach Qualität mit solchen nach der Legitimation von Kunstvermittlung verbunden (ebd.). Auffällig selten wird die Qualität pädagogischer Interaktionen fokussiert.

Das Forschungsprojekt „Pädagogische Qualität in der Kunstvermittlung (PäQ)“ der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf, das in dieser Publikation dokumentiert ist, startete in Kooperation mit der Abteilung Bildung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2017. Es ging der Frage nach, an welchen Qualitätskriterien Kunstvermittler* innen ihre Arbeit ausrichten und wie sich diese Orientierungen in der pädagogischen Praxis manifestieren. Untersucht wurde dabei auch, welche Vorstellungen von Kunst und der Institution des Museums vorhanden sind und wie sich diese auf die Orientierungen in der Vermittlung auswirken. Qualitätsdiskurse sind immer auch Machtdiskurse, „bei denen es darum geht, wer das Deutungsrecht bei der Beurteilung der Arbeit hat“ (Fuchs 2018). Ziel des hier beschriebenen Projekts war es nicht, eine Deutungshoheit zu behaupten und einen bestimmten Begriff von Qualität zu definieren, anhand dessen die pädagogische Praxis bewertet werden sollte. Vielmehr ging es darum, einen Prozess zu initiieren, in dem mit Kunstvermittler*innen und Studierenden die Bedeutung der Frage nach der Qualität an sich und die Existenz unterschiedlicher Orientierungen verhandelt wurden. In einem dialogischen, mehrstufigen Verfahren sollten die bestehenden Orientierungen am Beispiel konkreter Vermittlungssituationen untersucht werden.

Für die Kunstvermittlung im Museum stellt sich die Frage der Qualität in anderer Weise als in Institutionen formaler Bildung. Im Hinblick auf ihre Vermittlungsangebote unterliegen Kunstmuseen keinem Curriculum und damit keinen von außen festgelegten Standards. Dadurch eröffnet sich die Chance, dass die Besucher*innen eines Museums und Teilnehmenden ihre Interessen stärker in die Kunstvermittlung einbringen und diese mitgestalten. Für die vergleichsweise offenen Settings im Museum, in 10 denen die Teilnehmenden eigene Qualitätsvorstellungen mitbringen und diese auch einfordern können, ist es von zentraler Bedeutung, dass die Kunstvermittler*innen Kriterien für ihr pädagogisches Handeln entwickeln. Gleichzeitig sind die in den Museen wirkenden Akteur*innen in der Frage ihrer Qualitätsansprüche auch nicht völlig unabhängig. Wie der Rat für Kulturelle Bildung und Max Fuchs dargelegt haben, sind die Institutionen häufig in Förderlogiken eingebunden, in denen z. B. bestimmte Standards vorgegeben werden (Rat für Kulturelle Bildung 2014, S. 9; Fuchs 2018). Das Projekt gab den Anstoß dazu, sich sowohl vorhandene Orientierungen als auch ihre Entstehungskontexte bewusst zu machen, sie wechselseitig zu spiegeln und dabei die eigene Haltung zu reflektieren.

Motiviert war das Projekt durch die Absicht, Prozesse der Professionalisierung zu fördern. Durch die Verknüpfung reflexiver und theoretischer Impulse mit der pädagogischen Praxis können Handlungsmuster in der Kulturellen Bildung modifiziert werden. Daher war es ein besonderes Anliegen des Projekts, eine Theorie-Praxis-Interaktion zu gestalten. Die pädagogische Praxis ist daraufhin zu befragen, welche theoretischen Bezüge sie nutzt oder nutzen könnte. Die pädagogische Theorie wiederum ist durch die empirische Untersuchung der Kunstvermittlung zu erweitern.

Kunstvermittlung im Museum wird vor allem auf Grundlage von Orientierungen der Akteur*innen – Vermittelnde wie Teilnehmende – praktiziert. Entsprechend müssen diese in den Blick genommen werden. Im Forschungsprojekt wurden die Orientierungen der Vermittelnden rekonstruiert und analysiert. Die vorliegende Publikation dokumentiert die Methoden und den Verlauf des Projekts, und sie versammelt die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten. Darüber hinaus gibt sie einen Überblick über den Forschungsstand. Auch das Buch selbst war Teil der Gespräche und Verhandlungen im Projekt. Daher liegt ein Fokus der Gestaltung darauf, die Prozesshaftigkeit des Geschehens als solche zu veranschaulichen.

Forschungsfrage und methodisches Vorgehen

Das Projekt ging davon aus, dass Pädagog*innen „gute“ Kunstvermittlung betreiben möchten, also ein (wie auch immer geartetes) Verständnis von Qualität in der Kunstvermittlung haben. Folgt man der Wissenssoziologie (Mannheim 1964) und der darauf aufbauenden Theorie von Profession als sozialer Welt (Nittel 2011), so ist dieses Verständnis nicht nur individuell, sondern auch konjunktiv: Kunstvermittler*innen teilen auch ein gemeinsames Verständnis von Qualität. Denn soziale Gruppen erwerben ihr Alltagswissen über einen gemeinsamen Erfahrungsraum (Milieu, Institution, Ausbildung, Generation, Berufsgruppe …). Im Forschungsprojekt sollten ein solches geteiltes Wissen über Qualität bzw. vorhandene Orientierungen in Bezug auf Qualität herausgearbeitet und mithilfe der Dokumentarischen Methode (Bohnsack 2010; Bohnsack und Nentwig-Gesemann 2010) expliziert werden.

Die Forschungsfrage lautete: Welche Orientierungen haben Pädagog*innen bei der Kunstvermittlung im Museum?

Der Forschungsprozess war qualitativ-empirisch angelegt, und so wurde pädagogische Praxis beobachtet, und die Orientierungen der Kunstvermittler*innen wurden interpretativ erschlossen. Gegenstand der Untersuchung waren Vermittlungsformate mit Kita-Gruppen im sogenannten „Kleinen Studio“ der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, einer auf frühpädagogische Projekte ausgerichteten Werkstatt im K21. Die videografische Erhebung in diesem Projekt umfasste vier Kita-Gruppen, die jeweils an einem Workshop von 90 Minuten teilnahmen. Im Ablauf übernahmen die Studierenden die Rolle der Beobachter*innen, die Kunstvermittler*innen die der Beobachteten. Orientierungen wurden mittels Dokumentarischer Methode rekonstruiert und in einem abschließenden gemeinsamen Workshop im Forschungsteam mit den Kunstvermittler* innen und Studierenden diskutiert.

 Erkenntnisse und Ausblick

Als Ergebnisse im Hinblick auf Qualität, auf „gute“ Kunstvermittlung, lassen sich sowohl individuelle als auch kollektive Orientierungen identifizieren. Bei den kollektiven Orientierungen ist eine Orientierung an Doppelfiguren erkennbar, d.h. an Aspekten, die gleichzeitig als Vorbild und als Negativbeispiel fungieren. Beispielsweise diente die Vorstellung einer abstrakt-lebensfernen Institution Museum zur Abgrenzung (handlungsorientierte Vermittlungspraxis), aber auch als Bezugspunkt (Thematisierung dieses Konzepts). Auch wurde das Museum von der Welt der Kinder unterschieden, ihr in den Workshops jedoch auch immer wieder angenähert (z.B. Singspiele im Museum). Und Kinder wurden als Künstler*innen behandelt, dann aber wieder von Künstler*innen abgegrenzt. Diese Orientierung an Doppelfiguren ist offenbar eine spezielle Anforderung an Kunstvermittlung.

Die Orientierungen konnten weitgehend auf die Ausbildung, den Fachdiskurs sowie Fortbildungen, den Austausch und die Kultur der auftaggebenden Institution zurückgeführt werden. Es sind also professionelle Orientierungen. Dies war insofern interessant, als der Pädagogik oft unterstellt wird, unprofessionell, quasi „aus dem Bauch heraus“ zu arbeiten. Dass hingegen die Fachlichkeit so klar rekonstruierbar war, stimmt optimistisch.

Die Professionalität von Kunstvermittlung ist als Vermittlung von Spannungen, Kontingenzen und Widersprüchen zu verstehen. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit selbstreflexiver Prozesse. Im Projekt zeigte sich, dass qualitativ-empirische Forschung zu einem Thema, bei dem es um Orientierungen und Wertvorstellungen geht, eine Form der Intimität herstellt. Die Beteiligten kamen dem Forschungsgegenstand und einander sehr nah, erhielten detaillierte und tiefgehende Einblicke, die 12 nicht immer angenehm waren. Daher war von allen Seiten Vertrauen und Achtsamkeit gefordert. Wie deutlich wurde, bergen gleichzeitig genau diese Einblicke und die daraus resultierenden Möglichkeiten der Selbstreflexion ein großes Potenzial für die Professionalisierung des Feldes.

Mein Dank geht an Julia Hagenberg, mit der ich die Idee und die Konzeption zu diesem Forschungsprojekt entwickelt habe und die die Umsetzung im Museum ermöglicht und begleitet hat. Ihre Perspektive war für das Projekt von entscheidender Bedeutung. Dankbar bin ich auch den beteiligten Kunstvermittlerinnen Inga Braune, Annette Hohenlohe, Karin Mohr und Jeannette Petersen, die sich vertrauensvoll in den sensiblen Prozess begeben haben und ihre Arbeit für die Beobachtung zur Verfügung gestellt haben. Den Studierenden Pauline Couvrat, Sonja Friedrich, Philippa Geißler, Rebecca Häser, Jasmina Pavlic und Sabrina Opgenorth, die an diesem Buch mitgewirkt haben, sowie allen anderen Studierenden, die sich an dem Forschungsprojekt beteiligt haben, danke ich herzlich für ihre Mitarbeit und ihr Engagement. Ermöglicht wurde das Projekt durch die großzügige Förderung der Robert Bosch Stiftung; Ottilie Bälz und Julia Teek bin ich auch für die inhaltlich beratende Unterstützung zu großem Dank verpflichtet. Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass durch den Prozess der methodisch geleiteten Rekonstruktion und Explikation von Orientierungen ein Diskurs über pädagogische Qualität möglich ist. Die Bestimmung und Weiterentwicklung von pädagogischer Qualität in der Kunstvermittlung kann also auf dem Wege der gemeinsamen Reflexion erfolgen.

Dies soll in verschiedenen Bereichen und Formaten weitergeführt werden: (...). Ich freue mich darauf, die Arbeit in diesem Forschungsfeld gemeinsam mit unseren Partnerinstitutionen fortzusetzen. Fabian Hofmann

Verlagsseite

Zitationsvorschlag:

Hofmann, Fabian (Hrsg.) (2020). Pädagogische Qualität in der Kunstvermittlung. Was ein Forschungsprojekt im Museum leisten kann. Münster und New York: Waxmann.