Einleitung

Fabian Hofmann, Irmi Rauber, Katja Schöwel, 2014

Mit „Führungen, Workshops, Bildgespräche“ halten Sie ein Buch in Händen, dessen Quintessenz aus unzähligen Jahren Berufserfahrung gewonnen wurde: Mehr als dreißig Personen aus der kunstpädagogischen Praxis haben hier Beiträge zum Thema Kunstvermittlung im Museum verfasst oder mit ihrem Fachwissen ergänzt. Die Texte der AutorInnen stützen sich auf die Erfahrungen aus hunderten Veranstaltungen mit tausenden BesucherInnen.
Die Bandbreite an Texten umfasst Fallbeispiele aus den Bereichen Führungen (in ihren verschiedenen Ausprägungen) und Workshops, jeweils mit unterschiedlichen Zielgruppen. Darüber hinaus finden sich weitergehende Betrachtungen über grundlegende Aspekte der Kunstvermittlung wie Rezeptions- und Kommunikationsprozesse. Die Textformen umfassen Aufsätze, Berichte, Interviews, augenzwinkernde Glossen und Versuche von überblickhaften Charakterisierungen. Allen AutorInnen und ihren Texten merkt man – so hoffen wir – die Leidenschaft im Ausüben des Berufes an. Die Beiträge sind unter drei Kapitel-Überschriften gefasst und können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Die Kapitel bilden sozusagen Felder innerhalb des Buches. Eine besondere Form sind die Kurzinfos, die an wesentlichen Stellen auftauchen und sich wichtigen thematischen Aspekten noch einmal gesondert widmen.
Die HerausgeberInnen und AutorInnen der Beiträge arbeiten in der Museumspädagogik. Das bedeutet, dass ihnen der Umgang mit dem Original wichtig und vertraut ist. Sie haben in unterschiedlichen Studienfächern ihren Abschluss gemacht. Diejenigen, die zusätzlich zu Führungen auch Workshops durchführen, haben in der Regel ein Studium der Kunstpädagogik oder der freien Kunst absolviert. Die meisten AutorInnen arbeiten nicht nur an einer Institution und auch nicht nur am Museum, sondern zum Beispiel auch in Schulen. Diese Erfahrungen fließen in die Texte mit ein.
„Führungen, Workshops, Bildgespräche“ ist ein Praxisbuch. Wissenschaftliche Studien über die konkrete Ausgestaltung und Wirkung von Führungen, auf die man aufbauen könnte, existieren kaum. Daher haben wir uns für ein im weitesten Sinne empirisches Vorgehen entschieden, für Fallbeispiele, und gegen eine Argumentation aus der Theorie heraus. Wir versuchen stattdessen, aus der Beschreibung und Reflexion konkreter Vermittlungssituationen Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Die theoretischen Grundlagen aus Museologie, Kunstgeschichte und Kunstpädagogik bilden die Arbeitsgrundlage für jeden reflektierten Praktiker und die Folie, vor der Vermittlung praktiziert wird.

Das Ziel: Aus der Praxis lernen


Mit „Führungen, Workshops, Bildgespräche“ loten wir das spannende Feld der Kunstvermittlung im Museum auf eine Weise aus, die bei der tatsächlich praktizierten pädagogischen Arbeit ihren Ausgangspunkt nimmt. Da wir die KunstvermittlerInnen selbst zu Wort kommen lassen, gewinnt der Leser einen authentischen Einblick und wertvolle Expertentipps. Das Herausarbeiten zentraler Erfahrungen aus konkreten Begebenheiten, das in allen Texten Prinzip ist, gibt auf anschauliche Art Hinweise für die eigene Berufspraxis.
Die Professionalität der KunstvermittlerInnen
In den letzten Jahren wenden sich immer mehr Menschen beruflich der kulturellen Bildung und der Kunstvermittlung zu. In den Museen wurden zusätzliche Pädagogik-Stellen geschaffen und entsprechende Volontariate oder Praktikumsstellen eingerichtet. Auch arbeiten viele AbsolventInnen erziehungs- oder kulturwissenschaftlicher Studiengänge als AusstellungsführerInnen, manche auch nur eine Zeit lang, um ihren Wissensstand zu nutzen und auszubauen, erste Praxiserfahrungen im Umgang mit Gruppen zu sammeln, Museumsluft zu schnuppern und diesen spannenden Ort als Arbeitsplatz genauer zu erkunden – unabhängig davon, ob sie in diesem Feld weiterarbeiten oder andere berufliche Pfade einschlagen.
Viele von Ihnen kommen direkt von der Universität, und es stellt sich die Frage, wie sich diese KollegInnen zu Beginn ihrer Arbeit im Museum angemessen vorbereiten können. Vielen ist bewusst, dass allein eine fachwissenschaftlich-inhaltliche Qualifikation nicht ausreicht. Und die im (kunst-)pädagogischen Bereich erworbenen Kenntnisse beziehen sich meist auf die Schule. So bleibt eine Lücke. Durch das Lesen von Texten ist diese nicht zu schließen: Auf der Suche nach Literatur zum Themengebiet der Kunstvermittlung im Museum wird deutlich, dass der schriftlich fixierte Theoriestand in diesem Bereich sehr gering ist. Erlernen lässt sich die Tätigkeit der Kunstvermittlung derzeit offenbar nur von den Praktikern selbst. Ein Grund mehr also, diese zu Wort kommen zu lassen.
Die KunstvermittlerInnen in den Museen haben sich insbesondere seit den 1990er Jahren professionalisiert: Während vorher in Führungen weitgehend wissenschaftliche Vorträge gehalten wurden, haben MuseumspädagogInnen bis heute ein breites Spektrum von spannenden und zielgruppengerechten Vermittlungsmethoden ersonnen, erprobt, praktiziert und reflektiert. Viele von ihnen sind lange Zeit mit unterschiedlichsten Gruppen und in unterschiedlichsten Museen tätig gewesen. Durch Fortbildungen haben sie ihre Fähigkeiten weiter entwickelt und durch Fachverbände, auf Tagungen und in Publikationen wurde ein reger Austausch untereinander praktiziert. Nun kommt es darauf an, das Wissen und die Erfahrungen dieser PraktikerInnen für die nächsten Generationen fruchtbar und nutzbar zu machen. Mit „Führungen, Workshops, Bildgespräche“ möchten wir einen ersten Schritt in diese Richtung gehen.

Erfahrungen aus der Praxis nutzbar machen


Wir möchten etwas anderes bieten als ein Musterbuch. Denn ein solches wäre für alle, die Führungen im Museum durchführen möchten, nur eingeschränkt nützlich: Die konkreten Angebote anderer Institutionen oder Personen lassen sich nie 1:1 auf die eigene Arbeit übertragen. Der vorliegende Band will daher aus vorhandenen Erfahrungen allgemeine Schlüsse ziehen, diese für die KollegInnen aufarbeiten und unserem Fachgebiet nutzbar machen. Durch die Lektüre der unterschiedlichen Beiträge erfahren die LeserInnen anhand der detaillierten Beschreibung pädagogischer Situationen wesentliche Faktoren der Kunstvermittlung. Mitunter sind es zunächst unscheinbare Nebensätze, die letztlich entscheidend zum Potenzial der berichteten Erfahrungen beitragen. Bei genauer, vielleicht später wiederholter Lektüre und in Verbindung mit eigenen Erfahrungen entfalten sie ihren Nutzen. Das Buch kann man sich insofern auch als eine Manifestation möglicher Gespräche zwischen KunstvermittlerInnen vorstellen, die sich über ihre Tätigkeit austauschen – oft ganz ausdrücklich, manchmal eher nebenbei, gelegentlich schmunzelnd und stets voller Liebe zur Kunstvermittlung. Liest man mehrere Beiträge am Stück, wird dieser Dialog spürbar.
So war auch ein wichtiger Gedanke beim Erstellen des Buches, dass viele der FührerInnen seit Jahren oder Jahrzehnten ausgezeichnete (Sprech-)Arbeit leisten, die zwar in den Köpfen der geführten Personen haftet, damit gleichzeitig jedoch auch in alle Winde verstreut ist, ohne je an einem Ort fixiert zu sein. In diesem Buch wird nun ein Teil davon festgehalten. Die Texte der verschiedenen AutorInnen bewahren Fragmente ihrer Arbeit, machen ihre Erfahrungen und ihre Professionalität fassbar und liefern allen Interessierten die Möglichkeit, diese für sich zu nutzen.

Der Prozess der Entstehung des Buches


Den Bedarf nach einem praxisgerechten Buch zu Führungen, Workshops und Bildgesprächen haben auch wir am Anfang unseres Berufslebens gespürt. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dann ein Bewusstsein für die Professionalität der Vermittler. Und so entstand die Idee, die Lücke in der Fachliteratur durch ein Buch zu schließen, in dem PraktikerInnen ihre Vermittlungsarbeit darstellen und reflektieren.
Den Beginn des Buches markierte eine Anfrage an verschiedene KunstvermittlerInnen aus unserem beruflichen Umfeld, ob sie die eigenen Erfahrungen ihrer Arbeit verschriftlichen und zu einem Buch zusammentragen möchten. Die meisten von ihnen arbeiten (auch) an der Schirn Kunsthalle Frankfurt oder haben einmal dort gearbeitet; fast alle jedoch sind auch an anderen Institutionen tätig, viele hat der Berufsweg in andere Städte geführt. Mit großer Freude und Begeisterung haben sich nahezu alle, die wir angefragt hatten, an dem Projekt beteiligt.
Von Anfang an trieb uns die Frage um, wie man das Thema „Führungen, Workshops, Bildgespräche“ bearbeiten und beschreiben könnte, insbesondere weil die meisten KunstvermittlerInnen eher Menschen des gesprochenen als des geschriebenen Wortes sind. So war der Austausch und der Arbeitsprozess wichtig: Bald fanden erste Treffen statt, bei denen gemeinsam eine Struktur für das Buch entwickelt wurde, man sich über die entstehenden Texte austauschte und sich gegenseitig Hilfestellung gab. Die Ideen entwickelten, wandelten und konkretisierten sich, die Anzahl der entstehenden Texte wuchs. Die HerausgeberInnen moderierten den Prozess der Entstehung und konzentrierten sich auf Verbindungen und Knotenpunkte. Die endgültige Struktur der vorliegenden Publikation entwickelte sich aus den Beiträgen selbst. Ein von Anfang an offen angelegter Prozess findet mit der Veröffentlichung nun seinen Abschluss.
Die Persönlichkeiten der AutorInnen sind eine wichtige Grundlage der Beiträge, ihre eigenen Fokussierungen sind hierin auf den Punkt gebracht und die Sprache der einzelnen KunstvermittlerInnen ist verschieden in Stil, Form - auch die Verwendung geschlechtergerechter Begriffe oder die Benennung ihrer beruflichen Tätigkeit handhaben sie unterschiedlich. So lesen sich die Texte in ihrer Unterschiedlichkeit besonders lebendig und abwechslungsreich; und obwohl sie sich nicht konkret und ausdrücklich aufeinander beziehen, bilden sich thematische Linien, die sie an unterschiedlichen Stellen miteinander verknüpfen.

Struktur des Buches und Inhalt


Da ein theoretisch vorstrukturiertes Themenfeld nicht existiert und das Buch daher in einem offenen und empirischen Prozess entstand, ist die Struktur des Buches netzwerkartig. Drei Felder haben wir dabei herausgearbeitet: „Wahrnehmen – Erfahren – Reden“, „Vermittlung und Vermittler“ und „Betrachten – Erleben – Machen“. Die Gliederung in offene Felder passt aus unserer Sicht zum Feld der Kunstvermittlung, das gleichfalls eher durch fließende Übergänge als durch klare Grenzen gekennzeichnet ist.
Alle drei Kapitel beinhalten eine Mischung aus Fallbeispielen und Reflexionen, im ersten Kapitel mit einem Schwerpunkt auf Führungen, im letzten mit dem Schwerpunkt auf Workshops, doch oft über diese beiden Formate hinausgehend, weil sie in enger Verbindung miteinander stehen oder gar ineinander übergehen. Das mittlere Kapitel versteht sich als Scharnier, hier geht es um die Menschen, die Vermittler. Aus diesem Grund finden sich dort auch Interviews. Wir haben mit fünf erfahrenen Kunstvermittlerinnen gesprochen und daraus einen Text montiert, der die individuellen Erfahrungen und Sichtweisen in den Worten dieser Personen wiedergibt.
Im Netzwerk des Buches, in den Feldern bzw. Kapiteln gibt es wie im Feld der Kunstvermittlung Knotenpunkte. Wir haben versucht, solche zu identifizieren und herauszuarbeiten. Daher findet sich im Buch an verschiedenen Stellen eine Kurzinfo zu übergreifenden Themen. Diese Texte sind besonders knapp und sachlich gehalten und geben Literaturtipps zur Vertiefung.

Führungen, Workshops, Bildgespräche – Eine Eingrenzung


Es ist schwer, im Bereich der Kunstvermittlung die richtigen Begriffe zu verwenden – die meisten sind nicht klar definiert, und sie werden unterschiedlich gebraucht (siehe die ausführliche Begriffsklärung S. ##). Wir möchten daher im Folgenden näher eingrenzen, dass wir mit den Begriffen Führung, Workshop und Bildgespräch jeweils ein Feld bestimmter kunst- bzw. museumspädagogischer Formen meinen.

Führung: Ein Begriff für ein breites Spektrum


Natürlich sind Führungen (genau wie Praxisworkshops und Bildgespräche) keine konstanten Gegenstände, die in jedem Museum gleich zu behandeln und auszuführen sind. Die Vermittlung von Kunst hängt immer vom jeweiligen Vermittlungsgegenstand, von der Gruppe, der Situation, der Führungsperson und vielem mehr ab.
Die AutorInnen haben in unzähligen Ausstellungen – von Malerei und Graphik über Skulptur und Installation bis hin zu Film – gearbeitet, von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart und zurück bis zu den Kelten. Bei den beschriebenen Führungen handelt es sich meist um eine kunstpädagogische Form, die sich am Betrachter orientiert. Hierbei steht nicht das monologische Reden über Kunst im Fokus, sondern die Führungen enthalten die Aufforderung an die BesucherInnen, sich mit eigenen Gedanken und Assoziationen einzubringen. Klassische Führungen im Sinne von Vorträgen vor den Kunstwerken gibt es natürlich auch: etwa Öffentliche Führungen oder Führungen für Erwachsenengruppen, die das explizit wünschen.
Zielgruppen der in diesem Buch beschriebenen Führungen sind z.B. dreijährige Kinder, Kinder und Jugendliche, SeniorInnen, HauptschülerInnen, StudentInnen und FirmenmitarbeiterInnen. Die Gruppen kommen aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus ins Museum. Diese verschiedenen Rahmenbedingungen für eine Führung potenzieren sich zudem um eine Vielzahl von Wegen der Vermittlung, die notwendigerweise zu jeder neuen Ausstellung neu gefunden werden müssen. Und die Führungen unterschieden sich ganz wesentlich durch die Persönlichkeiten der KunstvermittlerInnen, die mit ihren pädagogischen wie fachwissenschaftlichen Überzeugungen, ihrer Biografie und ihrem Charakter die Art der Führung entscheidend prägen.
Dass wir dieses breite Spektrum von Vermittlungsformen unter „Führung“ fassen, hat vor allem pragmatische Gründe: Trotz des Wissens um die Unzulänglichkeit dieses Begriffs ist „Führung“ immer noch die Bezeichnung, die von den meisten Institutionen und Personen in unserem Feld benutzt wird und die von den meisten Menschen, insbesondere den Besuchern, verstanden wird – in dem mehr oder weniger klaren Bewusstsein, dass sie ein Spektrum überschreibt.

Workshop: nie ohne Zusammenhang zur Führung


Die Praxisworkshops im Anschluss an eine Führung werden bevorzugt für Kinder und Jugendliche angeboten. Hierbei ist das vorrangige Ziel, das in der Ausstellung Erfahrene weiter zu durchdringen. Gewonnene Eindrücke und Erkenntnisse werden in der Praxis vertieft, das bildnerische Tun trägt entscheidend dazu bei, die neuen Informationen verstehend zu speichern. Um schon während des Ausstellungsrundgangs auf die entsprechenden Werke eingehen zu können, auf die man sich im Workshop rückbezieht, sollten Führung und Workshop nach Möglichkeit von ein und derselben Person durchgeführt und aufeinander abgestimmt werden. Was diese Workshops leisten und wie sie konzipiert werden, wird in einzelnen Texten des Buches herausgearbeitet.

Bildgespräch: Betonung der pädagogischen Form


Um den schwierigen Begriff „Führung“ zu ergänzen, haben wir den Begriff „Bildgespräch“ in den Titel einbezogen. Er macht klar: Die Vermittlungsformen, von denen wir sprechen, finden vor dem Bild statt – und im Rahmen eines umfassenden Bildbegriffs sind ebenso Skulpturen, Filme, Installationen und andere Kunstformen gemeint. Wenn wir vom Bildgespräch reden, wird noch einmal deutlicher, dass es um eine Vermittlungsform geht, deren Kern das Gespräch ist. Und wir möchten mit der Verwendung dieses Begriffes betonen, dass es sich um eine pädagogische Form handelt. Dazu bedarf es mehr als nur kulturhistorischen Fachwissens; es erfordert pädagogisches Wissen, eine pädagogische Absicht und professionelles pädagogisches Handeln.

Rahmenbedingungen als Einflussfaktoren


In diesem Buch wird die Praxis von Führungen, Workshops und Bildgesprächen vorgestellt. Insofern sprechen wir nicht von theoretischen Idealformen, sondern von realen Situationen. Vielerlei Rahmenbedingungen schränken nämlich das, was pädagogisch wünschenswert wäre, ein.
So ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass Führungen und Praxisworkshops in der Regel auf eine begrenzte Zeit angesetzt sind. Niemand möchte mehr als zwei Stunden lang an einer Führung teilnehmen, und mag sie noch so gut sein. Zudem bedeutet eine längere Dauer auch höhere Kosten, eine längere Belegung der Räume, und die an Schulen übliche Ausflugsdauer würde womöglich überschritten. So bleibt eine Führung meist auf eine Stunde beschränkt. Natürlich kann in dieser knappen Zeit nicht mehr als ein Impuls gegeben, ein prägnanter Aspekt vertieft werden. Für Schulklassenbesuche richtet sich daher unser Appell an die LehrerInnen, den Besuch im Idealfall auch als Teil einer weiterführenden Unterrichtseinheit zu verstehen. In dieser kann den SchülerInnen die Möglichkeit geboten werden, die Thematiken der Ausstellungen weiter zu durchdringen und zu vertiefen, vielleicht gar selbst gewählte Schwerpunkte weiter zu verfolgen. Allerdings steht und fällt die Einbettung des Besuches in den Unterricht mit den beteiligten LehrerInnen. Schon die erneute Betrachtung und Besprechung der entstandenen Arbeiten in der nächsten Unterrichtsstunde werden den Museumsbesuch aufs Neue aufrufen und sind daher unbedingt zu empfehlen.
Eine Führung durch eine Wechselausstellung ist eine andere als in einer ständige Sammlung. Im Wechsel der Ausstellungen sind immer wieder neue Arbeiten zu vielfältigen Themen zu sehen, deren Präsentation aber jeweils einer bestimmten Argumentationskette folgt. Kunstvermittlung in Wechselausstellungen muss solche vorgegebenen Themenlinien berücksichtigen, während sie in Sammlungen die oft überbordende Fülle durch eigene Schwerpunktsetzungen eingrenzen muss.
Ein entscheidender Faktor ist auch der Raum: Seine Gestaltung prägt die Vermittlung. Durch Atmosphäre, die Abfolge und räumlichen Bezüge der Werke oder auch die räumliche Positionierung des Besuchers im Verhältnis zu den Werken sind KunstpädagogInnen in ihrer Tätigkeit vorbestimmt.
Führungen finden zudem in bestimmten Institutionen statt und unterliegen damit ihren historisch gewachsenen und durch vielfältige Einflüsse entstandenen Prägungen. Diese institutionelle Rahmung sorgt beispielsweise dafür, dass Besucher die Kunst im Museum als besonders wertvoll wahrnehmen, dass sie zurückhaltend agieren – oder sich oftmals auch klein und unwissend fühlen. Bei Schulklassenführungen spielt die institutionelle Rahmung durch die Schule eine Rolle, wenn beispielsweise Lehrer Aufgaben im Museum stellen und benoten oder die Ausstellung als wichtiges Abiturwissen bezeichnen.
Nicht zuletzt spielt die Hierarchie von Ausstellung und Vermittlung eine Rolle. In den meisten Museen ist klar, dass zuerst eine Ausstellung konzipiert wird und danach erst das  Vermittlungsprogramm. Häufig geschieht dies unabhängig voneinander und oft sogar ohne Austausch zwischen Kuratoren und Pädagogen. Zwar wird diese Trennung inzwischen immer mehr aufgebrochen, je mehr Publikumserwartungen und -bedürfnisse ernst genommen werden; dennoch ist dies noch lange nicht Standard. Wer als Vermittler tätig ist, muss dann mit dem Primat von Inhalt und Objekt arbeiten.
Nicht verschwiegen werden soll ein Faktor, der im Verborgenen Auswirkungen auf die Vermittlung hat: die Arbeitsverhältnisse im Museum. Wer Führungen macht, ist in der Regel als freier Mitarbeiter beschäftigt und somit abhängig von Aufträgen. Ob er oder sie Arbeit hat, hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise vom Publikumserfolg einer Ausstellung oder von der eigenen Qualifikation, manchmal aber auch von ganz banalen Dingen wie der zeitlichen Verfügbarkeit, dem eigenen Durchsetzungsvermögen und einem tragfähigen Netzwerk. Es besteht tendenziell Planungsunsicherheit. Auf Seiten des Museums besteht ebenfalls Unsicherheit, und zwar in der Frage, ob geeignete freie Mitarbeiter zu gewinnen sind und ob sie zur richtigen Zeit verfügbar sein werden.

Los geht’s!


Mit diesem Buch treten wir der Vorstellung entgegen, dass eine Führung ein fachwissenschaftlicher Vortrag im Gehen ist und machen deutlich, dass sie eine vielfältige pädagogische Form ist, die mit Leidenschaft und Professionalität zielgruppenorientiert umgesetzt werden muss. Die notwendige immer währende Bereitschaft, sich auf neue Themenbereiche einzulassen, sich in der eigenen Praxis weiterzuentwickeln, sich gegen Vorbehalte zu öffnen und den Wechsel der Ausstellungen als Anlass für die eigene Forschung zu nutzen, bedeutet für alle KunstvermittlerInnen in Bewegung zu sein und in Bewegung zu bleiben. Dazu bedarf es einem Höchstmaß an Leidenschaft für die Sache. Der Lohn für diese Arbeit kommt häufig direkt in der Anerkennung der BesucherInnen und indirekt und Zeit verzögert in der Erkenntnis, dass die Vermittlungsarbeit sich über die Jahre zu runden Bögen schließt. Sie ermöglicht Erfahrungen im Umgang mit Epochen, Kunstwerken, BesucherInnen und Situationen, die Theorie alleine niemals in der Lage wäre, zu vermitteln. Indem wir auf diese Weise kontinuierlich tätig sind, arbeiten wir mit anderen und anderem und an uns selbst.
Wer Kunstvermittlung unter diesen Vorzeichen sieht und die Erfahrungen liest, die in diesem Buch niedergeschrieben sind, mag zu der Erkenntnis kommen: Das Reden über Kunst muss getan werden, auch wenn es in Anbetracht der Vielzahl an Sichtweisen, Methoden und Bezugspunkten mitunter unmöglich scheint und gerade weil es eigentlich unmöglich ist. Los geht’s!

 

Zitationsvorschlag:

Hofmann, Fabian; Rauber, Irmi; Schöwel, Katja: Einleitung
In: Hofmann, Fabian; Rauber, Irmi; Schöwel, Katja (Hg.): Führungen, Workshops, Bildgespräche. Ein Hand- und Lesebuch zu Bildung und Vermittlung im Kunstmuseum. München: kopaed, 2014. S. 10-18

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