Subjekt - Objekt / Aneignen - Vermitteln 

Fabian Hofmann, 2014

Unterrichtssituationen werden häufig im Sinne des „Didaktischen Dreiecks“ gedacht: Lehrer-Schüler-Lernstoff. Dabei ist in der Pädagogik traditionell die Richtung vom Lehrer bzw. der Schule aus zu den Schülern hin maßgeblich. In der Museumspädagogik kursiert eine Abwandlung dieses Dreiecks: Kunstobjekt-Vermittlungsmethode-Zielgruppe. In diesem Dreieck ist die Kunst der Lernstoff, der Lehrer wird mit seinen Vermittlungsmethoden gleichgesetzt. Indem hier Kunst und Besucher betont werden, wird gleichzeitig ein Feld zwischen Subjekt und Objekt aufgespannt:
Indem hier Kunst und Besucher betont werden, wird gleichzeitig ein Feld zwischen Subjekt und Objekt aufgespannt. Wer dem Ansatz einer Subjekt- bzw. Bildungsorientierung folgt, denkt vom Subjekt, vom Besucher aus. Entsprechend ist das Museum ein Ort der Bildung, von dem eine Ausrichtung auf die (Bildungs- und Unterhaltungs-)Bedürfnisse der Menschen erwartet wird. Dieser Ansatz kann philosophisch als idealistisch bezeichnet werden: Er setzt Ideen oder Werte (z. B. die humanistische Bildungsidee) als Grundlage. Bei der Werk- bzw. Bildorientierung geht das Denken vom Werk aus. Vertreter dieser Fraktion sehen das Museum als Ort der Originale, der besonderen Erfahrungen, beispielsweise Erfahrungen des Fremden oder der Differenz. Das Museum soll die Exponate stark machen und davon ausgehend beim Besucher etwas anstoßen, beispielsweise (Selbst-)Bildungsprozesse, Staunen oder Genuss. In den Begriffen der Philosophie kann dieser Ansatz als materialistisch bezeichnet werden, weil er von den Dingen ausgeht.
In der musealen Praxis verläuft hier auch eine folgenreiche Grenze zwischen den Disziplinen: Die Kunstpädagogik wird häufig mit dem subjektorientierten Ansatz verbunden, die Kunstgeschichte mit dem werkorientierten. Beide Ansätze scheinen unvereinbar und bergen, wenn sie einseitig verfolgt werden, auch Gefahren: Auf der einen Seite werden Objekte womöglich nur „benutzt“, dienen pädagogischen Zwecken, und das Museum wird zum Spielplatz. Auf der anderen Seite wird möglicherweise eine Aura geschaffen und das Werk unkritisch verehrt, dabei wird der Besucher ignoriert oder absorbiert.
In jüngerer Zeit gibt es jedoch auch andere Verständnisse von Bildung. Mit dem Begriff „pädagogische Kommunikation“ entwickelte der Erziehungswissenschaftler Jochen Kade ein Modell jenseits dieser unvereinbaren Positionen. Wichtig ist für ihn zunächst nicht, welchen Idealen die Pädagogik folgen soll oder ob sie vom Subjekt oder vom Objekt aus gedacht wird. Zentral sind dagegen die pädagogisch bedeutsamen Tätigkeiten „Vermitteln“ und „Aneignen“. Vermittlung sieht er als eine Tätigkeit, die unabhängig und in Differenz zur Aneignung stattfindet: Vermittler arbeiten innerhalb ihres (pädagogischen) Systems professionell und mit einer bestimmten Zielsetzung – aber Besucher eignen sich Wissen innerhalb ihres eigenen (psychischen) Systems an. Vermittlung kann also nicht auf der Besucherseite eine ihr exakt  entsprechende Aneignung erwecken.


Zum Weiterlesen:
Petersen, Jörg und Priesemann, Gerhard: Einführung in die Unterrichtswissenschaft. Bd. 1: Sprache und Anschauung. Frankfurt am Main 1990, S. 28 f.: Das Didaktische Dreieck
Kade, Jochen: Vermittelbar/nicht-vermittelbar: Vermitteln: Aneignen. In: Lenzen, Dieter und Luhmann, Niklas (Hg.): Bildung und Weiterbildung im Erziehungssystem. Frankfurt am Main 1997, S. 30–70.

 






Zitationsvorschlag:

Hofmann, Fabian: Subjekt - Objekt / Aneignen - Vermitteln
In: Hofmann, Fabian; Rauber, Irmi; Schöwel, Katja (Hg.): Führungen, Workshops, Bildgespräche. Ein Hand- und Lesebuch zu Bildung und Vermittlung im Kunstmuseum. München: kopaed, 2014, S. 120

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