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Begegnungen vor Originalen intensivieren.
Über Werkerfahrungen zum ästhetischen Urteil

Katharina Bühler/Fabian Hofmann, 2012


Begegnungen mit Kunstwerken im Museum regen zu vielschichtigen Erfahrungen und Reflexion an. Übungen des Nachstellens von Körperhaltungen, Gesten und Mimik der in den Werken dargestellten Figuren schaffen in Verbindung mit erläuternden Texten eine Basis für ästhetisches Urteilsvermögen.

 
Innerhalb des „Betriebssystems Kunst“ (Thomas Wulffen) hat das Museum die Aufgabe, langfristige ästhetische Urteile zu fällen und zu dokumentieren: Was im Museum hängt, ist Kunst. Dabei muss es einerseits über die kulturhistorische Bedeutung eines Werkes entscheiden und andererseits die Erwartungen und Rezeptionsdispositionen der Betrachter beachten – sich also fragen, ob ein Werk in den Augen der Besucher „sehenswert“ ist. Aufgrund dessen stellt das Museum für die Besucher eine Auswahl zusammen, die einerseits eine wissenschaftliche Kategorisierung bietet und andererseits eine publikumswirksame Inszenierung, welche u.a. auf eine subjektive Werkerfahrung zielt. Deshalb ist das Museum besonders dazu geeignet, ästhetische Urteilsbildung transparent zu machen und zu schulen. Die Museumspädagogik lenkt die Aufmerksamkeit auf diese Zusammenhänge und wendet Methoden an, die eine gleichzeitig wissenschaftlich-kognitive und subjektiv-affektive Rezeption vor Originalen ermöglichen. Schließt man die Erkenntnisse aus der subjektiven Werkerfahrung mit einer auf objektive Kriterien gerichteten Bildbesprechung zusammen, gelingt eine umfassende kritische Würdigung des Werkes.

Eine Annäherung an Bilder durch handlungsorientierte Methoden bedeutet nicht nur, emotionale Aspekte im Bild anzusprechen, sondern Bilder auch beispielsweise körperlich nachzustellen. Dies kann direkt vor dem Werk passieren (vgl. den Materialteil des Heftes). Dabei werden sowohl die Körperhaltung, die Gestik und Mimik der dargestellten Figuren wie auch die Bildkomposition nachvollzogen, um das Werk so auf unterschiedlichen Ebenen zu reflektieren. Die hier wiedergegebenen Beispiele aus einem Heft mit Anregungen für Heranwachsende (Sekundarstufe I) zur Ausstellung „Courbet. Ein Traum von der Moderne“ aus dem Jahr 2010/11 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt veranschaulichen dies. Die intensive Begegnung mit dem Original kann in der Schule weitergeführt werden, bis hin zu einem Theaterstück, von dem Bühnenfotos gemacht werden, welche anschließend mit dem Gemälde wieder in Bezug zu setzen sind. Die erklärenden Texte (vgl. den Materialteil des Heftes) bieten daraufhin eine Grundlage für die Reflexion, die auch zur Bildung eines reflektierten ästhetischen Urteils anregt – ohne dies direkt einzufordern.

 

Literatur

Bertscheit, Ralf: Bilder werden Erlebnisse. Mitreißende Methoden zur aktiven Bildbetrachtung in Schule und Museum. Mülheim an der Ruhr: Verl. an der Ruhr, 2001.

Bühler, Katharina; Hofmann, Fabian: Courbet. Ein Traum von der Moderne. Eine Einführung in die Ausstellung ab 12 Jahren. 2 Hefte. Frankfurt am Main, 2010.

Hochreiter, Walter: Vom Musentempel zum Lernort. Zur Sozialgeschichte deutscher Museen 1800 – 1914. Darmstadt 1994

Schoppe, Andreas: Bildzugänge. Methodischer Leitfaden für den Unterricht. Seelze: Klett/Kallmeyer Friedrich, 2010.

Wagner, Ernst/Dreykorn, Monika (Hg.): Museum, Schule, Bildung. Aktuelle Diskurse - innovative Modelle - erprobte Methoden. München 2007

Weschenfelder, Klaus; Zacharias, Wolfgang: Handbuch Museumspädagogik. Orientierungen und Methoden für die Praxis. Düsseldorf: Pädag. Verl. Schwann-Bagel, 1988.

Wulffen, Thomas: Kunstforum International, Band 125, Betriebssystem Kunst - Eine Retrospektive. Januar-Februar 1994


Zitationsvorschlag

Hofmann, Fabian; Bühler, Katharina: Begegnungen vor Originalen intensivieren. Über Werkerfahrungen zum ästhetischen Urteil. In: Kunst + Unterricht (373) 2013, S. 31–35.